Aussen hui, innen pfui
Wo sich bunte Verpackungen und kolossale Werbeversprechen die Klinke in die Hand geben, wird auch gerne getrickst und verwirrt. Neu ist das nicht, dabei muss man allerdings zwischen unverschämtem Schwindel und schamlosem Betrug unterscheiden.
Geschwindelt wurde beim Essen schon immer ? aber immer anders. Während auf den Märkten des 19. Jahrhunderts Gemüse mit Kupfer gefärbt wurde, sorgen heute moderne Mittel für höhere Gewinne. Erlaubt ist, was die Technik möglich macht und die Politik zulässt. Damals wie heute. Der Spielraum ist immens und auch wenn ein Lebensmittelgesetz existiert, so macht sich nicht automatisch ein jeder Hersteller strafbar, wenn er mit ein wenig Kosmetik Schönfärberei an seinem Produkt betreibt.
Ettiketten, die lügen wie gedruckt
Fruchtjoghurt ohne Frucht, Zuckerbomben als Fitnessprodukt, vermeintliche Gesundheitswunder mit Nebenwirkungen: Täuschung ist bei verpackten Lebensmitteln nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Hersteller tricksen, um ihr Produkt besser aussehen zu lassen, sie tricksen, weil es die Wettbewerber auch tun ? und sie tricksen, weil es häufig ganz legal ist und keine Behörde einschreiten kann. Das Lebensmittelrecht duldet viele Fälle von Etikettenschwindel ? die Verbraucher haben das Nachsehen. Gewöhnliches Mehl wird als Bio-Mehl verkauft, Eier aus Käfighaltung als Bio-Eier, Strassenstreusalz als Speisesalz. Bekanntermassen fanden Kontrollbehörden Methanol in Schnaps und Pferdefleisch in Rindfleischprodukten. Es existieren eindeutig wiederkehrende Betrugsmuster: Wichtige Inhaltsstoffe werden durch billigere Alternativen ausgetauscht. Die Tierarten auf Fleischprodukten werden fehlerhaft gekennzeichnet. Das Gewicht wird falsch angegeben. Konventionelle Lebensmittel werden als «Bio» verkauft. Zuchtfisch wird als Wildfang gekennzeichnet. Lebensmittel werden wieder in den Verkehr gebracht, nachdem deren Haltbarkeitsdatum überschritten wurde.
Top Ten des Grauens
Die Top Ten des Grauens, also jener Lebensmittel, die am meisten der Gefahr des Lebensmittelbetrugs ausgesetzt sind, setzt sich folgendermassen zusammen: Olivenöl, Fisch, Bio-Lebensmittel, Milch, Getreide, Honig und Ahornsirup, Kaffee und Tee, Gewürze, Wein sowie bestimmte Obstsäfte. Auch bei der Wurst wursteln sich die Fleischer ganz gehörig durch: Geflügelwurst muss etwa nur zu 15 Prozent aus Geflügel bestehen, um sich so nennen zu dürfen. Die restlichen 85 Prozent dürfen Schweine- und/oder Rindfleisch sein. Das Gleiche gilt für die Kalbsleberwurst, deren Anteil an Kalbsleber ebenfalls nur 15 Prozent betragen muss. Der Rest wird meist aus billigerem Ersatzleberfleisch vom Schwein gewonnen. Auch komplett anderes Fleisch ist erlaubt. Bei der Kalbsfleischleberwurst muss die Wurst überhaupt nicht aus Kalbsleber bestehen, sondern nur aus mindestens 15 Prozent Kalbfleisch.
Gesetz einfach unterwandert
Hersteller täuschen mit Werbeaussagen, Bildern und irreführenden Kennzeichnungen Qualitäten vor, die nicht real sind: Spreewaldgurken müssen nicht aus dem Spreewald kommen, Tütensuppen enthalten Glutamat, obwohl «ohne Geschmacksverstärker» draufsteht, das «natürliche Aroma» im Erdbeerjoghurt wird nicht aus den roten Beeren gewonnen, sondern aus Pilzkulturen. Und so weiter und so fort. All dies ist legal, aber keineswegs legitim. Dass das Lebensmittelrecht ein Verbot der Täuschung vorschreibt, ist kaum mehr als graue Theorie. Durch zahlreiche spezialisierten Gesetze oder untergesetzliche Normen wird das Täuschungsverbot ausgehöhlt. (kid)
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