Auf Umwegen den grossen Traum verwirklicht
Mit fünf Jahren der erste Tanzunterricht und mit 16 ein Vollzeitstudium an einer renommierten Ballettschule in Deutschland: Marion Büchel hatte den Traum, ihre Leidenschaft fürs Tanzen zum Beruf zu machen. Heute, 17 Jahre später, hat sie diesen Traum ? wenn auch auf Umwegen ? verwirklicht.
Schon als Kind war Marion Büchel voller Tatendrang: Sie war aufgeweckt, quirlig und neugierig. Das war vielleicht auch der Grund, weshalb sie bereits im zarten Alter von vier Jahren mit dem Kunstturnen und ein Jahr später mit dem Ballett begonnen hat. Beides betrieb sie schon damals mit so viel Herzblut, dass sie mit neun Jahren sowohl ins Schweizer Nachwuchskader der Kunstturnerinnen als auch in einer Ballettschule in Zürich aufgenommen wurde. So ging es für die kleine Marion jeden Mittwoch und Samstag nach Zürich ins Training, montags und freitags besuchte sie die Tanzschule in Sargans, am Dienstag und Donnerstag stand Kunstturnen auf dem Wochenplan und die Ferien waren für das Sportlager des Schweizer Nachwuchskaders reserviert. Ein extremes Pensum für ein neunjähriges Kind: «Für mich gab es nur Schule, Turnen und Tanz», erzählt die heute 33-Jährige. Ihr Leben habe sich im Wesentlichen nur um den Sport gedreht und so etwas wie Freizeit habe sie kaum gekannt.
So anstrengend sich das auch anhören mag, die Balznerin hat ihre Kindheit in guter Erinnerung. «Es war eine tolle Zeit», resümiert sie und erklärt, dass ihr sowohl das Kunstturnen als auch das Ballett so viel Spass gemacht hätten, dass sie ihre Hobbys nie als Stress empfunden habe.
Eine schwere Entscheidung
Kunstturnen oder Ballett? Diese Frage stellte sich Marion Büchel, als sie 12 Jahre alt war. Der jungen Balznerin wurde damals klar, dass das Betreiben zweier Hobbys auf einem so hohen Niveau zu intensiv wurde. «Eine Doppelbelastung im Leistungssport ist einfach nicht möglich», erklärt sie. Schliesslich könne ein Profifussballer nicht zugleich auch noch Tennisprofi sein. Schlussendlich entschied sich die Balznerin für das Ballett. «Meine Leidenschaft für das Tanzen war einfach grösser.»
Mit 16 Jahren war Marion Büchel immer noch vom Balletttanzen begeistert ? so sehr, dass sie sich zur Aufnahmeprüfung bei einer Münchner Ballettschule angemeldet hat. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich die Prüfung schaffe und war vollkommen überrascht, als ich positiven Bescheid bekam», erzählt sie. Sie packte die Chance und entschied sich, nach München zu ziehen, um dort am Ballett-Leistungszentrum der Heinz-Bosi-Stiftung Ballett zu studieren. Erklärtes Ziel dieser Einrichtung ist es, Ballettnachwuchs auf dem Weg in die Professionalität zu begleiten und auf die Berufspraxis als Tänzer vorzubereiten. Für die tanzbegeisterte Jugendliche also genau der richtige Ort, um ihren Traum als professionelle Balletttänzerin auszuleben. Doch anstatt sich begeistert in ein neues Abenteuer zu stürzen, plagte die damals 16-Jährige von Anfang an das Heimweh. «Es war grausam», erinnert sich die Balznerin an ihren ersten Tag in München zurück. «Erst der Abschied von meinen Eltern, und dann betrat ich dieses spärlich eingerichtete Zimmer im Studentenwohnheim: Mir kamen nur noch die Tränen».
Schuldgefühle und Angst
Leider wollte sich auch im kommenden Jahr das Heimweh von Marion Büchel nicht bedeutend bessern. Zudem musste sie feststellen, dass sie nicht für ein Leben als Profi-Balletttänzerin geschaffen war: «Ballett ist zwar eine gute Grundlage für alle, die Tanz professionell betreiben möchten, aber für mich war es zu eintönig», erklärt sie. Sie habe sich einfach nicht mehr vorstellen können, den Rest ihres Lebens nichts anderes zu machen, als Ballett zu tanzen. So kam es, dass diese Einsicht und auch das Heimweh die junge Tänzerin dazu bewogen, die Schule in München abzubrechen und wieder in heimische Gefilde zu ziehen. Eine Entscheidung, die ihr nicht leicht fiel: «Seit Jahren habe ich darauf hingearbeitet, Profitänzerin zu werden und wurde immer tatkräftig von meinem Umfeld unterstützt ? nun hatte ich Angst, jemanden zu enttäuschen.» Heute, wenn sie an jene Zeit zurückdenkt, sieht sie die ganze Geschichte viel entspannter. Sie sei froh, es ausprobiert und diese Erfahrung gemacht zu haben. «Ich bereue meine Entscheidung nicht ? ich wäre als Profitänzerin nicht glücklich geworden.»
Hauptsache, etwas in der Hand
Was macht man, wenn ein einmal gefasster Plan fürs Leben nicht aufgeht? In Marion Büchels Fall eine Lehre zur Kauffrau. Als die Balznerin von München nach Hause kam, machte sie sich sofort daran, neue Pläne zu schmieden. «Ich wusste zwar nicht, was ich werden wollte, wollte aber so schnell wie möglich eine Ausbildung beginnen ? ich wollte einfach etwas in der Hand haben», erzählt sie. So ging sie als Erstes nach ihrer Rückkehr zum Amt für Berufsbildung. Dort teilte man ihr jedoch mit, dass die meisten ausgeschriebenen Lehrstellen bereits besetzt seien. Lediglich eine einzige Lehrstelle im kaufmännischen Bereich sei noch offen. Die Balznerin bewarb sich und bekam prompt den Ausbildungsplatz.
Ein neues Kapitel
Drei Jahre später schloss Marion Büchel ihre Ausbildung zur Kauffrau erfolgreich ab und blieb ihrem Lehrbetrieb noch drei weitere Jahre treu. Als sie von einem Freund erfuhr, dass eine liechtensteinische Werbeagentur eine Stelle als Werbeassistentin neu besetzen wollte, ergriff Büchel die Chance und bewarb sich. «Damals wollte ich etwas Neues ausprobieren und meinen Horizont erweitern», erklärt sie. Sie bewarb sich, und obwohl sie eine Quereinsteigerin war, erhielt sie den Job.
Zeitgleich mit ihrem Stellenwechsel beschloss die tatkräftige Balznerin, ihrer Leidenschaft fürs Tanzen wieder mehr Raum zu geben. Sie begann damit, Tanzunterricht zu geben, wirkte bei den Musicals der Liechtenstein Musical Company als Tänzerin und Choreografin mit und führte im Jahr 2006 das erste Mal ein eigenes Tanzprojekt namens «Rythm & Emotion» durch. Tanzen wurde wieder zu einen wichtigen Teil ihres Lebens, und kurz darauf sollte auch das Kunstturnen in einer etwas spezielleren Form wieder dazugehören.
Fast wie Kunstturnen
Von Beruf Werbeassistentin und in ihrer Freizeit Tänzerin und Tanzlehrerin ? wie bereits früher war Marion Büchels Freizeit ziemlich verplant. Jedoch nicht verplant genug, dass nicht noch ein weiteres Hobby Platz gefunden hätte. Im Jahr 2009 besuchte die Werbeassistentin in München einen zwei Tage dauernden Workshop namens «Vertical Catwalk». Dabei lässt man sich in luftiger Höhe von einer Hausfassade abseilen und führt dabei noch allerhand artistische Kunststücke vor. Eine körperliche Herausforderung, für die die ehemalige Kunstturnerin aus Balzers wie geschaffen war. Sie selbst hatte grossen Spass am Workshop und der Veranstalter ? eine Werbeagentur, die sich unter anderem auf Performancekunst spezialisiert hat ? war von ihrem Talent begeistert. So begeistert, dass Marion Büchel kurz darauf angefragt wurde, ob sie nicht bei einem anstehenden Event für eine der professionellen Artistinnen einspringen könnte. Diesen Auftrag erledigte sie zur vollen Zufriedenheit des Veranstalters und legte so den Grundstein für eine Zweitkarriere als eine Art «Vertikale Kunstturnerin». Es folgten in regelmässigen Abständen immer wieder Folgeaufträge, und mittlerweile durfte die Balznerin bereits die ganze Welt bereisen: Sie trat bereits in Hongkong, Dubai und Malta auf und kam erst letzte Woche von einem Auftrag in Chicago nach Hause.
Zum Greifen nah
Auch wenn Marion Büchel damals ihre Ausbildung zur Profitänzerin abgebrochen hat, ihre Leidenschaft zum Tanz hat sie nie verloren. Vielmehr schlägt ihr Herz stärker denn je für ihre Passion ? so stark, dass sie beschlossen hat, ihren momentanen Job als Werbeassistentin und Buchhalterin an den Nagel zu hängen. «Ich möchte mich gerne wieder aktiv mit dem Tanzen beschäftigen, und das nicht nur in meiner Freizeit», erklärt die 33-Jährige. Aus diesem Grund wird sie im August dieses Jahres in Balzers ihre eigene Tanzschule eröffnen. An drei Tagen in der Woche wird Marion Büchel sowohl Erwachsene als auch Kinder ab fünf Jahren im Jazz- und Musicaltanz unterrichten.
Marion Büchels Lebenslauf zeigt: Mit viel Mut und Beharrlichkeit lassen sich Träume auch auf Umwegen verwirklichen. Was im Alter von 16 Jahren weit in die Ferne rückte ? der Wunsch, aus der Leidenschaft einen Beruf zu machen ?, scheint 17 Jahre später zum Greifen nah.
Steckbrief
Name: Marion Büchel
Wohnort: Balzers
Alter: 33
Beruf: Werbeassistentin, Buchhalterin, Tänzerin und Artistin
Hobbys: Alles, was mit Bewegung zu tun hat und draussen stattfindet.
Leibspeise: Alles und viel.
Getränk: Sirup
Musik: Aktuelle Hits und Musik von Michael Jackson
Lektüre: «Ich lese kaum.»
Stadt/Land? Land
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Barcelona und zu Hause
Stärke: Mein Gerechtigkeitssinn
Schwäche: Meine Ungeduld
Motto: Lebe deinen Traum
Kontakt: www.marion-buechel.li
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