«An der Umsetzung hapert es aber gewaltig»
Am 17. März endete die Vernehmlassungsfrist für das revidierte Energieeffizienzgesetz (EEG). «An der Vorlage der Regierung sieht man leider, dass das Hauptaugenmerk auf dem Staatshaushalt liegt», erklären Bruno Dürr und Daniel Gstöhl von der Solargenossenschaft Liechtenstein.
Herr Dürr, in der Stellungnahme der Solargenossenschaft zum EEG stellen Sie fest, dass die Regierung «eine deutliche Abkehr» von den Zielen der eigenen Energiestrategie 2020 vornimmt. Warum?
Bruno Dürr: An der Vorlage der Regierung sieht man leider, dass das Hauptaugenmerk auf dem Staatshaushalt liegt. Im Zentrum steht nicht die zukünftige Energielandesversorgung. Das wird zu einer Verschärfung der Energie-Importabhängigkeit führen. Das ist alles andere als nachhaltig. Die Ziele der Energiestrategie 2020 werden damit vorsätzlich verfehlt.
Was sind denn die Ziele der Energiestrategie 2020?
Daniel Gstöhl: Hier wurde ein sinnvoller Weg vorgegeben: Durch Energieeffizienzsteigerung um 20 Prozent soll der Energieverbrauch bis 2020 stabilisiert werden. Die einheimische, erneuerbare Energieproduktion soll von heute 8 Prozent auf 20 Prozent angehoben und die CO2-Emissionen um 20 Prozent gesenkt werden. Dies entspricht notwendigen Massnahmen im Umfang von 446 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr im Jahr 2020. Die Massnahmen seit 2008 erbrachten eine durchschnittliche Gesamtwirkung von 65 GWh pro Jahr. Im neuen EEG werden nun Massnahmen vorgeschlagen, die auf eine Wirkung von 160 GWh im Jahr 2020 abzielen ? also nur gut ein Drittel des Ziels der Energiestrategie. Für uns ist das einem Land, das eigentlich das Label «Energieland» tragen könnte, nicht würdig. Zum Vergleich: Alleine die Installation der Fernwärmeleitung von Buchs nach Schaan/Bendern brachte schon eine Einsparung an Öl und Gas im Umfang von 90 GWh pro Jahr. Da müsste doch mehr drinliegen.
Bruno Dürr: Hinzu kommen noch politische Erfahrungswerte. In den letzten Landtagssessionen wurde bei praktisch jeder Vorlage noch einmal der Rotstift angesetzt. Das heisst, von den ursprünglichen Vorlagen wurden aus Spargründen noch einmal die Zahlen gekürzt. Da jetzt nicht einmal die aktuelle Vorlage ambitionierte Ziele enthält, fürchten wir, dass das Land hier eine historische Chance verspielt, eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Welche Chance meinen Sie?
Bruno Dürr: Bei den ganzen wirtschaftlichen Umwälzungen, gerade auch in Finanzplatzfragen, könnte Liechtenstein auf seinem kleinen Territorium eine Musterfunktion wahrnehmen. Es sind auch weltweit Fragen offen, wie man denn die Energiewende finanzieren könnte. Als Energiestandort mit vielen Finanzexperten wäre es doch eine Möglichkeit, sich hier zu profilieren, um auch neue Finanzlösungen zur Energiewende anzubieten. Doch warum sollte ein Anleger glauben, Liechtenstein sei in diesen Fragen vertrauenswürdig, wenn es solch niedrige Ansprüche an sich selber stellt?
Was wären Ihrer Meinung nach Ansätze, die es zu verfolgen gilt?
Daniel Gstöhl: Um ein Beispiel zu nennen: Unserer Ansicht nach wird immer noch zu viel Öl und Gas direkt verheizt. Mit Wärmekraftkopplung könnte man aus den Energieträgern zunächst Strom erzeugen und dann mit der Abwärme heizen, anstatt sie direkt zu verheizen. Klar: Die Technik ist teuer und bei heutigen Energiepreisen unrentabel. Aber gerade im Winter ist die Produktion von Elektrizität entscheidend, da wir jetzt schon im Vergleich zum Sommer mehr Strom importieren müssen. Durch den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen wird sich die Situation in Zukunft weiter zuspitzen. Ausserdem ist es dringend notwendig, bürokratische Hindernisse beim Bau von nachhaltigen Energieanlagen, z. B. Photovoltaikanlagen, aus dem Weg zu räumen. Hier könnte man dem Schweizer Beispiel folgen. Wir hätten noch viele andere Anmerkungen, die aber bisher leider nicht Eingang in das EEG gefunden haben. Gerade das Thema Windenergie, eines unserer Steckenpferde in letzter Zeit, wird leider immer noch zu stiefmütterlich behandelt, obwohl die Windenergie eine ideale Ergänzung zur Fotovoltaik darstellt.
Sie sind Teilnehmer am Vernehmlassungsprozess. Wird die Solargenossenschaft in den politischen Entscheidungsprozess ausreichend einbezogen?
Bruno Dürr: Hier kann man ganz klar sagen, dass sich die Situation verbessert hat. Unter der Vorgängerregierung waren praktisch nur noch die Energieproduzenten, die Liechtensteinischen Kraftwerke und die Liechtensteinische Gasversorgung, beteiligt. Wirtschaftsminister Thomas Zwiefelhofer hat den Austausch mit der Energiekommission verbessert, sodass auch wir wieder vermehrt zu solchen Fragen Stellung beziehen können. Dafür sind wir dankbar, sofern unsere Anliegen auch ernst genommen werden.
Am kommenden Mittwoch findet das Symposium «Vision 2020 ? Wege zur Energiefreiheit» statt. Was erwartet die Besucher?
Daniel Gstöhl: Wirtschaftsminister Thomas Zwiefelhofer wird die Einführung ins Thema vornehmen. Peter Droege von der Universität Liechtenstein wird die Modellstudie «Erneuerbares Liechtenstein» vorstellen ? darin wird behandelt, was in diesem Thema bis zum Jahr 2050 möglich ist. Danach wird der Leiter der Energiefachstelle, Jürg Senn, die Energiestrategie 2020 des Landes vorstellen, und vor der Podiumsdiskussion wird Bruno Dürr kritisch dazu Stellung nehmen, ob denn das neue EEG im Sinne der Energiestrategie 2020 ist. Hier gibt es Zündstoff und ich denke alle, die sich selbst ein Bild von diesem Thema machen wollen, sollten diesen Termin nicht verpassen. (mw)
Persönlich
Daniel Gstöhl ist promovierter Naturwissenschaftler (EPFL Lausanne) und Vorstandsmitglied der Solargenossenschaft Liechtenstein.
Bruno Dürr ist Klimatologe (ETH) und Geschäftsführer der Solargenossenschaft Liechtenstein.
Veranstaltung: Vision 2020: Wege zur Energiefreiheit, Mittwoch, 16. April, 18 Uhr, Hofkellerei Vaduz
Thema: Das Modell «Erneuerbares Liechtenstein» und die Energiestrategie 2020
Anmeldungen: www.uni.li/vision2020 oder Tel. +423 265 11 38
Schlagwörter
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Liechtensteinische Gasversorgung
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Universität Liechtenstein