«Es reicht nicht, gerne auf der Bühne zu stehen»
Als Ingo Ospelt in seiner ersten Schulaufführung in der Primarschule Ebenholz in Vaduz die Rolle des Kasperli nicht bekam, verstand er die Welt nicht mehr. «Das ist doch mein Part!» dachte er, während der Lehrer stattdessen Karl-Heinz Ospelt, dem späteren Vaduzer Bürgermeister, die Hauptrolle gab. Damals ahnte er schon: Politiker und Schauspieler haben einiges gemeinsam. Zwei Jahre später klappte dann der Karrieresprung: Ingo Ospelt bekam die Rolle des Josef im Krippenspiel. Er bereitete sich akribisch vor, indem er sich immer wieder sagte: «Ich bin Josef!». Leider vergass er dabei, den Text zu lernen. Das Krippenspiel musste abgesagt werden und Maria, im wahren Leben seine Freundin, machte vor lauter Enttäuschung Schluss.
Gegenpol zur Konsumwelt
Von solchen Widrigkeiten liess sich Ingo Ospelt nicht von der Schauspielerei abhalten. Auch nicht von der Mutter, die selbst die Schauspielschule besucht hatte und meinte: «Schauspieler zu sein ist sehr schwer.» Daraufhin schwankte er eine Weile zwischen Schauspielerei und Malerei, doch als in der Theatergruppe am Gymnasium alles ein wenig besser klappte als bei den ersten Versuchen, siegte die Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen. Nach einem Tag der offenen Tür in der Schauspiel-Akademie Zürich war klar: «Das ist mein neues Zuhause.»
Die Liebe zur Schauspielerei hat sich der 51-Jährige bis heute erhalten. Obwohl das Schauspielgeschäft hart ist. «Die Löhne sind oft sehr schlecht», sagt er. «Es gibt viel mehr Schauspieler als Engagements und die Festanstellung an einem Stadttheater hat oft etwas von Leibeigenschaft.» Für jeden Ausflug, jede noch so kleine Reise muss ein Urlaubsschein eingereicht werden, man muss jederzeit erreichbar sein, und an die Möglichkeit, nebenbei Engagements anzunehmen, ist so gut wie nicht zu denken.
Wieso er diesen Beruf trotzdem macht, fragt sich Ingo Ospelt selbst immer wieder. «Dass man gerne Geschichten erzählt und auf der Bühne steht, reicht auf die Dauer nicht», sagt er. «Aber das Theater kann einen Gegenpol setzen zur heutigen, konsumorientierten Welt.» Das mache auch den besonderen Reiz des Kinder- und Jugendtheaters aus. Seit 2006 produziert die 1999 von Ospelt mitbegründete Theatergruppe «Triad» in Zusammenarbeit mit dem TAK ausschliesslich Stücke für Kinder und Jugendliche. Diesen Herbst feiert «Die Wilde Schar», die vierte Produktion von Ingo Ospelt, seiner Ehefrau Eveline Ratering und Gabi Bernetta, im TAK Premiere.
Dass das Kinder- und Jugendtheater im deutschsprachigen Raum nicht den gleichen Stellenwert hat wie Theater für Erwachsene, kann Ingo Ospelt nicht verstehen. In Skandinavien sei das anders. Dort sei es selbstverständlich, dass Schauspieler auch in Stücken für Kinder mitwirken. Zu Recht, ist Ospelt überzeugt: «Theater für Kinder und Jugendliche stellt ganz eigene Herausforderungen an Produzenten und Darsteller. Man muss wissen, wie man welche Geschichten Kindern der verschiedensten Altersstufen erzählt. Die Verantwortung ist grösser.» Die Theatergruppe «Triad» beherrscht diese Kunst offensichtlich: Die erste Produktion «Krabat» erhielt 2007 den Förderpreis der Internationalen Bodenseekonferenz.
Kabarett als Befreiung
In Liechtenstein ist Ingo Ospelt vor allem durch das LiGa bekannt. 1994 schloss er sich mit Marco Schädler und Mathias Ospelt zum Liechtensteiner Gabarett zusammen. «Mein Bruder Mathias und ich fanden, es sei an der Zeit, wieder einmal etwas gemeinsam zu machen», so Ospelt. Und so setzten sie das fort, was in der Kindheit mit «Kirche spielen» begonnen hatte. «Ursprünglich wollte ich ja Pfarrer werden. Also musste Mathias mein Volk spielen.» Und für einen selbstgedrehten Film schickte er den Bruder schon mal barfuss durch die Röfi. Beim LiGa konnte Mathias den Spiess dann umdrehen; von nun an schrieb er dem älteren Bruder die Rollen auf den Leib.
12 Jahre lang nahm das LiGa die Liechtensteiner und ihre Eigenheiten aufs Korn. Politiker, Treuhänder, das Fürstenhaus – keiner blieb von ihrem Humor verschont. Dass sie sich damit nicht nur Freunde machen würden, war den drei Künstlern klar. «Aber es gab durchaus Treuhänder, die uns auch nach dem ‹Liechtenstein Holding› noch auf der Strasse grüssten», lacht Ospelt. Interessant sei ja gewesen, dass damals praktisch alle, die Rang und Namen hatten, in die Vorstellungen des LiGa kamen: «Die Politiker freuten sich dann, dass ihre Kollegen endlich mal drankamen.» Dass sie selbst auch gemeint sein könnten, kam ihnen nicht in den Sinn. Und wer sich nicht getraute, die Vorstellung in Liechtenstein zu besuchen, der kam eben nach Buchs ins Fabriggli. Ingo Ospelt ist überzeugt, dass diese kabarettistische Form der Kritik Liechtenstein damals gut tat. «Ich glaube, für viele war es eine Befreiung, endlich mal über das lachen zu können, worüber sie sich während des ganzen Jahres aufregten.»
Trotz aller kritischen Stimmen war das LiGa in Liechtenstein ein riesiger Erfolg. Der Sprung in die Schweiz wollte allerdings nie so recht gelingen, obwohl die «NZZ» nach einem Gastspiel in Zürich schrieb: «Glückliches Land am Rhein, das Bürger wie die Ospelts besitzt!» «Manches war dem Schweizer Publikum dann doch zu fremd, wie die Verfassungsdiskussion beispielsweise», erklärt Ospelt. Hinzu kam die zeitliche Verpflichtung: «Irgendwann stellten wir uns die Frage, ob wir drei wirklich jeden Abend in einer anderen Stadt auftreten wollten.» Nach zwölf Jahren fiel schliesslich die Entscheidung, zumindest vorübergehend getrennte Wege zu gehen, damit den drei Künstlern mehr Zeit für die eigenen Projekte blieb.
Vom Theater ins Kino
Eigene Projekte hat Ingo Ospelt genug. Neben der Theatergruppe «Triad», dem Trio Ospelt-Ospelt-Schädler und diversen Theaterrollen war er in den vergangenen Jahren auch immer wieder in verschiedenen Filmen zu sehen. So spielte er beispielsweise Fürst Franz Josef I. in Kuno Bonts «Herzstark» und zuletzt einen Jeepfahrer im Schweizer Kinofilm «Nachtlärm». «Die Arbeit am Set stellt mich vor ganz neue Herausforderungen», sagt Ospelt. Im Gegensatz zum Theater, wo man sich auf der Bühne quasi chronologisch durch das Stück bewegt, sind die Filmszenen beim Dreh oft bunt durcheinandergewürfelt. «Es kann vorkommen, dass zuerst die Schlussszene und dann eine Szene aus der Mitte des Films gedreht wird; ich muss also schon am Anfang des Drehs genau wissen, wo meine Figur in den jeweiligen Momenten emotional steht», erklärt er.
Ospelt fasziniert die ständige Suche nach der perfekten Balance zwischen Konzentration und Entspannung, die der Film von ihm verlangt. «Du darfst dich auf keinen Fall verkrampfen, und gleichzeitig musst du auf Knopfdruck voll da sein.» Dazu kommen die technischen Schwierigkeiten. Zum Beispiel, wenn der Kopf wegen der Kamera in einer ganz bestimmten Position gehalten werden muss, während man so natürlich wie möglich aussehen soll. Oder wenn man – wie Ospelt im Film «Nachtlärm» – wegen der vielen installierten Kameras in einer total unnatürlichen Stellung Jeep fahren, mit der Partnerin zusammenspielen und dabei noch jodeln muss. «Manchmal muss man sich am Set so auf die technischen Details konzentrieren, dass man das eigene Konzept, welches man zuhause im stillen Kämmerlein ausgearbeitet hat, gleich wieder über Bord werfen kann.»
Nicht unbedingt Hollywood
Die Filmkarriere will Ingo Ospelt in den kommenden Jahren unbedingt weiterverfolgen. «Es muss nicht Hollywood sein», sagt er. «Aber ein Film, der etwas will!» Projekte, die nur auf Kommerz ausgerichtet sind, seien meist auch so produziert. Das gilt auch für die Arbeit am Theater. «Ich will noch mit vielen spannenden und interessierten Menschen zusammenarbeiten.» Das könne an einem Stadttheater oder in der freien Szene passieren. Letztlich spiele es keine Rolle, ob man in einem Kleintheater oder einem grossen Schauspielhaus auftrete. «Da wie dort gibt es gute und schlechte Produktionen», sagt Ospelt. «Aber wenn ich noch einige interessante Produktionen in grossen Schauspielhäusern spielen darf, umso besser.» Und wer weiss – vielleicht wird ja auch der gewünschte Film, «der etwas will», zum Kassenschlager. (ah)
Ingo Ospelt live auf der Bühne: 25. und 26. Oktober: «Die Wilde Schar» von Triad im TAK; 29. November: Ingo Ospelt liest aus James Joyces «Die Toten», Schlösslekeller
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Marco Schädler