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«Ein Treffpunkt, der für alle offen ist»

Mit dem Abschluss der Renovierungsarbeiten am Alten Pfarrhof in Balzers erhält die südlichste Gemeinde des Landes eine neue Kulturinstitution. Der Leiter des Hauses, Markus Burgmeier, erläutert, warum das Areal rund um das alte Pfarrhaus und den Pfarrstall viel mehr ist als ein Dorfmuseum.

INTERVIEW: ELISABETH HUPPMANN

Herr Burgmeier, Sie sind Leiter des Alten Pfarrhofs in Balzers. Seit wann bekleiden Sie dieses Amt und welche Aufgaben sind damit verbunden?

Markus Burgmeier: Ich habe die Stelle am 1. September 2010 angetreten. Bevor ich Leiter dieses Hauses wurde, war ich seit 2006 für die Kulturgütersammlung der Gemeinde Balzers zuständig. Dabei ging es in erster Linie um die Inventarisierung und eine allgemeine Bestandsaufnahme. Seit September bin ich mehrheitlich mit den Detailplanungen zur Realisierung des neuen Kulturtreffs sowie der Planung und Organisation von Ausstellungen und Veranstaltungen beschäftigt. Hinzu kommt die Mitarbeit in diversen Kommissionen wie der Kulturkommis­sion.

Fiel der Umbau auch in Ihren Zuständigkeitsbereich?

Nicht direkt. Indirekt als Mitglied in der Pfarrhof-Baukommission. Vonseiten der Konzeptgruppe haben wir uns bereits lange vor Baubeginn intensiv mit der jeweiligen Nutzung der einzelnen Räume und des Aussenareals beschäftigt, sodass wir den Architekten klare Vorgaben machen konnten.

Stand schon während Ihrer Tätigkeit in der Kulturgütersammlung fest, dass Ihre Arbeit in die Leitung des Alten Pfarrhofs münden würde?

Nein, aber ich habe es natürlich gehofft. Die Neuinventarisierung war ein erster Schritt zur Realisierung des neuen Kulturhauses. Denn es war immer vorgesehen, die Kulturgütersammlung in Form von Wechselausstellungen zu zeigen. Die Stelle der Leitung wurde ausgeschrieben und ich habe mich beworben. Erfreulicherweise wurde ich schliesslich mit dieser Aufgabe betraut.

Können Sie einige historische Eckdaten zum alten Pfarrhaus nennen?

Gebaut wurde das Haus 1733 bis 1739, der Pfarrstall entstand ebenfalls um diese Zeit. Beim Dorfbrand von 1795 sind beide Gebäude abgebrannt. Ihr Wiederaufbau erfolgte in den Jahren 1804 bis 1810. Das Pfarrhaus diente bis in die 1960er-Jahre als Wohnung des Pfarrers. Danach gab es verschiedene Nutzer wie z.?B. die Gemeindeverwaltung, den Kindergarten und die Ferdinand-Nigg-Stiftung. Zuletzt wurde es tibetischen Flüchtlingen für Wohnzwecke zur Verfügung gestellt. Das Haus hat somit eine recht bewegte Geschichte hinter sich.

Welches Ziel verfolgt die Gemeinde Balzers mit der Wiederbelebung des alten Pfarrhauses?

Das Haus steht seit dem Jahr 2003 leer. Die Idee, gerade hier einen Kulturtreff oder ein Museum zu eröffnen, ist jedoch schon viel älter. Schon in den 80er-Jahren gab es dazu Pläne. Als wir das neue Konzept erarbeitet haben, konnten wir auf diese Pläne zurückgreifen.

Wann hat die Konzepterarbeitung begonnen?

Ab dem Jahr 2002 entwickelte eine von Arthur Brunhart initiierte Arbeitsgruppe, der ich seit Beginn angehörte, das Konzept. Es wurde 2005 beim Gemeinderat eingereicht, welcher der Umsetzung des Konzepts zustimmte.

Weshalb ist es Ihrer Meinung nach wichtig, derartige Altbauten in den Gemeinden zu erhalten?

Zum einen ist es ein Teil der Dorfgeschichte und der Geschichte der Region. Zum anderen soll die Ausstrahlung und Atmosphäre eines derartigen Hauses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das ganze Ensemble, so wie es hier steht, ist einmalig. Das Haus ist eng mit der Dorfgeschichte verbunden. Das merkt man auch daran, dass noch viele Leute Erinnerungen an dieses Haus haben. Darum finde ich es wichtig, dass man derartige Häuser erhält.

Gemäss der vor zwei Jahren von den Architekten vorgestellten Projektstudie sollten Pfarrhaus und Pfarrstall als Einheit wieder erkennbar gemacht werden. Ist dieses Anliegen umgesetzt worden?

Ja, man ist bei diesem Konzept geblieben und mit gewissen Anpassungen in der Umgebung, z.?B. der Wegführung auf dem Areal, konnte man diesem Anliegen gerecht werden.

Die Projektstudie sah auch vor, das Wohnhaus als solches wieder erkennbar zu machen. Wie wurde man diesem Anliegen gerecht?

Zum einen sicherlich durch den Rückbau neuerer Einbauten, zum anderen durch den Wiedereinbau ursprünglich vorhandener Teile. Ich denke hier an den funktionsfähigen Kachelofen und den Holzherd. Man hat aber auch bei der Materialwahl differenziert. Repräsentativere Räume wurden mit kostbareren Materialien ausgestattet.

Einen Altbau, der unter Denkmalschutz steht, zu renovieren, stelle ich mir sehr aufwendig vor. Welches waren dabei die grössten Herausforderungen?

Man war von Anfang an darum bemüht, die Eingriffe so gering wie möglich zu halten. Die Denkmalpflege war damit einverstanden, dass man neuere Einbauten wieder zurückbaut und somit den ursprünglicheren Zustand wiederherstellt. Das Aufwendigste war mit Sicherheit die Res­taurierung der zum Vorschein gekommenen Wandmalereien. Der grösste Eingriff in die Bausubstanz war der Lift, der jedoch ohne Veränderung der Aussenfassade eingebaut werden konnte. Ausserdem hat man gewisse Dinge, wie beispielsweise den zweiten Kamin, wieder funktionsfähig gemacht.

Gab es während der Renovierungsarbeiten unvorgesehene «Zwischenfälle» oder besondere Entdeckungen?

Unvorhergesehen war sicherlich, dass sich fast alle Räume nach dem Entfernen der jüngsten weissen Malschicht farbig präsentierten. Wir waren eigentlich von weissen Wänden ausgegangen. Dass sie so bunt waren, damit hat niemand gerechnet. Aber diese Tatsache hat dazu geführt, dass wir die Räume nun den Originalfarbtönen nachempfunden haben. Eine Besonderheit sind aber mit Sicherheit die Fledermäuse im Dachstuhl. Seit ein paar Jahren lebt dort eine Kolonie der Breitflügel-Fledermäuse. In unserer Region eine eher seltene Art. Sie benützen den Dachstuhl von April bis Oktober zur Aufzucht ihrer Jungen. Man weiss zwar nicht genau, wohin sie im Oktober ziehen, aber sie kommen jedes Jahr wieder zurück. Weil das so ist, hat man beschlossen, auf diese Kolonie im Haus Rücksicht zu nehmen. Das heisst für die Nutzung, dass man den Dachstuhl für fünf Monate nicht nutzen kann. Ursprünglich wäre er als museumspädagogischer Raum gedacht gewesen. Aber da müssen wir jetzt auf andere Räume ausweichen.

Ab wann wird das alte Pfarrhaus der Öffentlichkeit zugänglich sein?

Am 17. September gibt es einen Tag der offenen Tür. Danach wird fertig eingerichtet. Wirklich für die Öffentlichkeit nutzbar wird das Haus Ende Oktober, Anfang November sein. Dann soll es auch eine erste Ausstellung zur Geschichte des Hauses geben.

Wie wird sich das Haus am Tag der offenen Tür präsentieren?

Neben offiziellen Ansprachen werden verschiedene Ortsvereine wie die Harmoniemusik, zwei Sektionen von BalzerSingt, der Singkreis Gutenberg oder die Liechtenstein Musical Company auftreten. Zudem bietet der Verein Pro Obstbaum einen Baumpflanzkurs an. Der Verein Hortus wird eine Obstsortenausstellung zeigen und den Besuchenden die Möglichkeit bieten, vor Ort selbst Most zu pressen. Die Betreuerinnen des Pfarrgartens werden den Garten vorstellen. Der Fledermausschutz wird mit einem Informationsstand inklusive lebender Exemplare vor Ort sein. Kindergartenkinder, Primar- und Realschülerinnen und -schüler werden ihre selbst gebastelten Objekte präsentieren. Die Balzner Pfadfinder organisieren die Kinderbetreuung und Albi der Zauberfuzzi wird auch dabei sein. Für das leibliche Wohl wird selbstverständlich auch gesorgt sein. Geführte Rundgänge runden das vielfältige Programm an diesem Tag ab.

Was wird der Besucher ab November hier zu sehen bekommen?

Als Erstes werden wir die Geschichte des Areals thematisieren. Für nächstes Jahr sind zwei grössere Ausstellungen geplant. Zum einen eine Ausstellung über die Schwabenkinder in Liechtenstein. Dabei handelt es sich um ein überregionales Projekt. Die zweite Ausstellung wird sich um das 100-Jahr-Jubiläum der Pfarrkirche Balzers drehen.

Inwieweit wird die Kulturgütersammlung hier Einzug halten?

Diese wird im Rahmen von Wechselausstellung hier zugänglich gemacht. Es besteht auch die Idee, dass man in zwei, drei Jahren gewisse Gerätschaften wieder in Betrieb nimmt.

Das Haus ist nicht nur Ausstellungsraum. Welche anderen Nutzungen sind angedacht?

Der Alte Pfarrhof will ein Ort der Begegnung für unterschiedliche kulturelle Anlässe sein. Neben Ausstellungen bieten Pfarrhaus und Pfarrstall Platz für Seminare, Vorträge, Lesungen, Kurse, Workshops, Sonderwochen, Schulprojektwochen oder gesellschaftliche Anlässe. Dann gibt es eine kleine Hausbibliothek, die man als Sitzungszimmer benützen kann. Die Küche ermöglicht beispielsweise Kochworkshops. In einem kleinen Atelier und in Werkstätten kann man selbst aktiv werden. Im oberen Raum des Pfarrstalls sind kleinere Theateraufführungen, Konzerte oder Ausstellungen denkbar. Und die ganze Umgebung eignet sich sehr gut für Skulpturenausstellungen und für unterschiedliche Veranstaltungen. Eine vielfältige Nutzung ist somit das oberste Ziel. Der Alte Pfarrhof soll ein Treffpunkt sein, der für alle offen ist. Auch für Leute, die selbst etwas anbieten und hier im Haus ihre Veranstaltungen durchführen wollen.

Burg Gutenberg ist in Balzers immer wieder Thema – gerade auch als Veranstaltungsort. In welchem Spannungsfeld steht das alte Pfarrhaus zur Burg?

Unser Konzept sieht vor, dass je nach Thema oder Veranstaltung auch Gebäude und Örtlichkeiten ausserhalb des Areals Alter Pfarrhof mit einbezogen werden. Dazu zählt auch die Burg.

Also keine Konkurrenzsituation.

Die Burg ist nur saisonal, von Mai bis Ende Oktober, nutzbar. Ich sehe daher in der Burg keine Konkurrenz, sondern eher eine Ergänzung des Programms.

Sind Sie der Meinung, dass das neu geschaffene Kulturangebot im alten Pfarrhaus die Kulturlandschaft Liechtensteins bereichert?

Das Angebot hierzulande ist sehr reichhaltig. Daher muss man sich sicherlich gut überlegen, was man zusätzlich anbietet. Ich denke aber, dass der Alte Pfarrhof eine Bereicherung sein wird. Es entspricht zudem einem Bedürfnis, in der Gemeinde ein eigenes Kulturzentrum zu haben, bei dem man unter anderem kulturelle Belange deponieren kann und bei der es einen vermehrten Austausch gibt. Wir möchten mit diesem Haus auch im Bereich der Integration einen Beitrag leis­ten. Daher denke ich, dass es wichtig ist, ein derartiges Haus vor Ort zu haben. Auf Landesebene wünsche ich mir, dass die kulturellen Institutionen noch vermehrt zusammenarbeiten, sei es im Bereich der Programmierung oder im Bereich der Kulturgütersammlungen. Hier gilt es, mehr Schwerpunkte zu setzen.

Gibt es etwas, dass Sie sich auf Gemeindeebene im Hinblick auf kulturelle Interessen wünschen?

Es war ein expliziter Wunsch der Dorfvereine, mehr Koordinationsarbeit zu leis­ten. Ich hoffe, dass wir mit dem Alten Pfarrhof dazu beitragen können. Ganz generell, dass man einen Ort hat, an dem man sich mit kulturellen Fragen und der eigenen Dorfgeschichte auseinandersetzen kann. Einen Ort, an dem man aber auch aktuelle Probleme diskutieren kann.

Nun gibt es sicherlich auch kritische Stimmen. Was entgegnen Sie diesen?

Ich erläutere die Ideen, die hinter dem Alten Pfarrhof stecken. In einer Bevölkerungsumfrage, die im Rahmen der Konzepterarbeitung durchgeführt wurde, wurde der ausdrückliche Wunsch geäussert, dass das Haus «leben» soll. Mit unserem vielfältigen Konzept glaube ich, dass wir diesem Wunsch gerecht werden. Ich hoffe, dass wir nach und nach noch mehr Akzeptanz erhalten.

Wenn Sie in einem Jahr auf heute zurückbli­cken: Was müsste passiert sein, damit Sie Ihrerseits von einem Erfolg sprechen könnten?

Sicherlich, dass unsere Ausstellungen und Veranstaltungen gut ankommen und wir viele zufriedene Besucherinnen und Besucher verzeichnen können. Wenn die Leute auch selbst Ideen einbringen und selbst aktiv mitarbeiten. Und generell, wenn die Leute Freude an diesem Haus haben.

 

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