«Da habe auch ich hohe Erwartungen!»
Wie das Stück entstanden ist und warum die Erwartungen recht hoch sind, erzählen Daniel Batliner, der das Stück geschrieben hat, und Fritz Hammel, der es inszeniert.
Mit Daniel Batliner sprach Janine Köpfli
Die erste Schlösslekeller-Eigenproduktion – da sind die Erwartungen natürlich hoch, vor allem, wenn man die hochkarätige Besetzung sieht: Peter Beck, Thomas Beck, Nicolas Biedermann, Ada Härtner, Felix Kieber und Andy Konrad.
Daniel Batliner: Es ging darum, wirklich Leute dabeizuhaben, die im Land aktiv sind, die man kennt. Dass man diese zusammennimmt – auch solche, die eine Verbundenheit zum Schlösslekeller haben. Bis auf Fritz Hammel waren alle schon auf der Schlösslekeller-Bühne zu sehen. Erwartungen darf man auf jeden Fall haben, schon aufgrund des Themas. Bei einem solchen Cast – Schauspieler und Regisseur –, da habe auch ich hohe Erwartungen!
Der Titel «Einmal Oberland, bitte!» lässt darauf schliessen, dass es sich um ein komisches Stück handelt. Verraten Sie ein wenig vom Inhalt?
Das Stück spielt in einem Gasthof. Dort serviert Oberkellner Sepp, der von Thomas Beck gespielt wird. Er beschäftigt sich aus Anlass von «300 Jahre Oberland» mit der Liechtensteiner Geschichte. Man weiss nicht genau, ob er ein bisschen verrückt ist oder ob er sich einfach zu sehr in die Thematik hineinsteigert. Aber während er sich mit der Geschichte beschäftigt, beginnt er, die Realität im Gasthof damit zu vermischen. Im ersten Akt beispielsweise erscheint ihm der Gasthof-Manager, der ein ernstes Wort mit ihm redet, plötzlich als Graf von Hohenems. Ein Gesundheitsinspektor wird in der Folge zu einem Gesandten des Kaisers und Sepp wird immer verwirrter. Das macht dann auch eine gewisse Komik aus, dieses Wechselspiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Vergangenheit wird auch anhand der Gegenwart interpretiert, da immer von der Figur Sepp ausgegangen wird. So verwundert es nicht, dass, wenn der Fürst auf Kur geht, Sepp sich das in Gedanken wie den Ballermann auf Mallorca vorstellt. Auf diese Weise hat die Vergangenheit sehr viel mit der Gegenwart zu tun.
Haben Sie als Liechtensteiner einfach aus Ihrem Erfahrungsschatz geschrieben? Woher stammt das historische Wissen?
Es sind die kleinen Details der Geschichte, die es am Ende ausmachen. Daher musste ich mich schon gehörig einlesen; das Wissen von der Schule reichte da nicht so weit. Durchs Lesen von Geschichtsbüchern kam auch die Inspiration. Ich habe verschiedene Geschichtsbücher gelesen. Unter anderem auch das Geschichtsbuch von Peter Kaiser. Das habe ich sogar schon zum zweiten Mal gelesen. Lustigerweise habe ich beim «Cirque Souverain» im Jahr 2005 den jungen Peter Kaiser gespielt. Schon damals habe ich mich eingelesen und mich mit der Figur befasst. Mein Grossvater schenkte mir eine Uraltausgabe dieses Buches. Es war ein echtes Abenteuer, dieses zu lesen. Ich habe mich weniger mit der Mainstream-Geschichte befasst, sondern mehr mit den kleinen Geschichten, die damals das Leben schrieb. Beispielsweise hat mich auch ein altes Geschichtsbuch aus dem Jahr 1882, das einmal einem Eschner gehört hat, inspiriert. Es ist zwar ein deutsches Schulbuch, doch es zeigte, was und wie die Menschen damals lernten. Es hat zwar wenig mit der liechtensteinischen Geschichte zu tun, hat mir aber geholfen, mich in die damalige Zeit hineinzuversetzen.
Sie haben erzählt, dass Sie gestern bis spät in die Nacht am Stück geschrieben haben.
(lacht) Ja, ich bin ein Affektschreiber. Ich kann wochenlang nichts schreiben und dann kommt der Moment, in dem alles geht. Dann kann ich nicht mehr aufhören und schreibe gut eine ganze Nacht durch. Wie letzte Nacht, als ich das Stück «Einmal Oberland, bitte!» überarbeitet und abgeschlossen habe.
Das heisst aber nicht, dass Sie die Wochen davor gar nichts gemacht haben.
Nein, natürlich trage ich das Stück immer mit mir herum und überlege. Auch Gespräche mit Bekannten und Freunden als meine strengsten Kritiker bringen mich weiter. Ich habe ein Umfeld, das direkt auf alles reagiert, was ich schreibe. Ich kenne Fritz Hammel gut und alle Schauspieler. Dadurch hatte ich mit allen Kontakt und habe mich mit ihnen über das Stück unterhalten. Das war sehr wichtig für mich. Es ist immerhin das erste Mal, dass ich ein so grosses Stück schreibe. Es war interessant zu sehen, wie die erste Fassung, welche die Richtung vorgab, durch wenige Kleinigkeiten verändert wurde. Dass diese Änderungen am Ende so viel ausmachen, war erstaunlich.
Wie lange dauerte der ganze Entstehungsprozess?
Da ich ja zum Schlösslekeller-Team gehöre, habe ich es schon recht früh erfahren – letzten Sommer. Anfang Februar hatte ich die erste Fassung fertig. Ich war grad umgezogen. An dem Tag, als ich das Büro gezügelt hatte, war wieder einmal einer dieser Tage. Ich habe die Bühnenszenen von Wodka Nikotschow geschrieben, «Einmal Oberland, bitte» abgeschlossen und noch drei Kurzgeschichten verfasst. Da hatte ich einen echten Lauf (lacht).
War gleich klar, dass Sie das Stück für die 300-Jahr-Feierlichkeiten schreiben werden?
Mathias Ospelt wollte es nicht schreiben und alle waren der Meinung, dass, wenn man schon einen Nachwuchsautor hat, man diesem auch eine Chance geben wolle. Das hat mich natürlich sehr gefreut und ich fühle mich auch geehrt.
Wie bringen Sie 300 Jahre auf die Bühne? Der Fundus ist riesig. Haben Sie sich auf spezielle Episoden konzentriert?
Es ist schwierig, alles in ein Theaterstück zu verpacken. Ich habe mich in den verschiedenen Akten auf unterschiedliche Perioden beschränkt. So behandelt Akt eins die Zeit der Grafen von Hohenems, Akt zwei die Zeit der Reformen im 19. Jahrhundert nach der Souveränität. Zu Akt drei gibt es wieder einen Sprung in die Zeit des Nationalsozialismus und Akt vier ist die Gegenwart. Jeder Akt fasst demnach ein Jahrhundert zusammen und erzählt Geschichten, die sich wirklich so zugetragen haben, wie beispielsweise jene des Trömmile Hans.
Trömmile Hans? Diese Geschichte kenne ich gar nicht.
Im 19. Jahrhundert gab es in Vaduz einen Landamann, der ziemlich verhasst war. Einige Studenten aus Balzers haben mitbekommen, dass in ganz Europa Reformen im Gang sind und sie haben sich überlegt, dass sie auch in Liechtenstein etwas ändern wollen. Vor allem sollte dieser Landamann weg. Sie fragten den Trömmile Hans, der einst im Militär getrommelt hat, ob er für sie bei einem Protestmarsch von Balzers nach Vaduz trommelt. Das hat er dann auch getan. Viele glaubten, dass es sich um einen Revolutionszug handelt. Dementsprechend fürchtete sich auch der Landamann in Vaduz und versteckte sich auf dem WC. Er entkam den Demonstranten aber nicht. In Schaan ketteten sie ihn mit den Worten «Landesel friss!» an eine Futterkrippe und in Schaanwald stellten sie ihn schliesslich vor die Türe und schickten ihn nach Wien zurück. Solche Geschichten sind natürlich herrlich, um sie in einem Stück wie «Einmal Oberland, bitte!» zu erzählen.
Wie sieht es mit Kritischem aus?
Natürlich gibt es auch kritische Töne. Im dritten Akt beispielsweise rund um den Nationalsozialismus. Ich sagte zu Fritz Hammel, dass er den Akt so inszenieren soll, damit ihm als Österreicher wohl dabei ist. Er möchte niemanden auf die Füsse treten. Es ist auch immer schwierig für die Schauspieler; man will es sich ja mit niemandem verscherzen. Es wird nicht übertrieben dargestellt, aber mit dem Thema kann man bei uns im Land schnell die Gemüter erhitzen. Die Schweiz überstand den Zweiten Weltkrieg aufgrund ihrer Neutralität. Dürrenmatt sagte dazu, Neutralität sei die Kunst, so nützlich wie möglich und so ungefährlich wie möglich zu sein. Diese Aussage passt auch auf Liechtenstein. Ich versuche, dies spielerisch im Stück umzusetzen, indem der Gasthof von einer internationalen Fastfood-Kette bedroht wird ...
Beim Schreiben eines solchen Stücks, schwingt da das Herz eines Liechtensteiners, eines Oberländers, mit?
(lacht) ... ich bin ein Unterländer ...
Dann schreibt also ein Unterländer über das Oberland. Aber das Herz des Liechtensteiners ist dabei?
Ich habe das Gefühl, dass man über das schreiben muss, was man kennt. Das fliesst unbewusst immer ein. Ich bin nicht der disziplinierte Schreibende, der einen Stoff hernehmen und bearbeiten kann, sondern es kommt alles aus mir heraus. Das ist meine Stärke. Ich kann mich auf der anderen Seite nicht in etwas hineinversetzen, was ich nicht bin. Mathias Ospelt hat ja das Stück für 300 Jahre Unterland geschrieben. Ich habe das aktuelle Stück geschrieben, das ist jetzt ausgleichende Gerechtigkeit.
Habt ihr historische Kostüme?
Nein, die Kostüme und die Kulissen werden eher im Stil der Gegenwart gehalten. Die Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit passieren auch relativ rasant. Die Wechsel werden sogar immer schneller, je mehr Sepp in seinen Wahn verfällt. Am Ende sind es nur noch Satzfetzen, die Sepp in einer Zeit halten. Die Grundsituation ist in der Gegenwart angesiedelt ... Mensch, ich wüsste nicht, wie das Stück zu inszenieren ist. Ich bin zufrieden mit dem Stück, aber ich bin echt froh, dass die Inszenierung Fritz Hammel mit seiner Erfahrung übernimmt.
Das Stück wird speziell für den Schlösslekeller inszeniert?
Ja, genau. Wir müssen daher auch mit den beschränkten technischen Mitteln und dem Platz klarkommen. Es ist aber auch eine grosse Chance. Wir wollen mit dem Stück auch dem Schlösslekeller-Charme treu bleiben. Wir machen nichts, was nicht zu uns und dem Schlösslekeller passen würde. Es muss der Schlösslekeller bleiben.
Ihr habt die Crème de la Crème der Liechtensteiner Schauspielszene für das Stück gewonnen. War das schwierig?
(lacht) ... nicht ganz einfach. Aber das Interesse der Schauspieler war relativ gross, mit Fritz Hammel zusammenzuarbeiten. Daher waren die Leute schnell begeistert.
Was soll dem Publikum von Ihrem Stück in Erinnerung bleiben?
Es geht um den Umgang mit Geschichte. Darum, dass man von Geschichte lernen kann, ja muss, weil sie die Gegenwart beeinflusst. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Es geht auch nicht darum, gewisse Episoden der Geschichte totzuschweigen. Was nehmen wir daraus mit, um die Zukunft zu gestalten? Wir müssen uns der Geschichte bewusst sein und wir dürfen uns auch nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Es ist naiv zu glauben, dass sich Geschichte nicht wiederholen kann. Es ist schwierig zu erkennen, dass sich beispielsweise auch Faschismus der Zeit anpasst. Damit ist er mitunter nicht mehr so leicht zu erkennen. Aus diesem Grund sehe ich das Jubiläum «300 Jahre Oberland» als grosse Chance – eine Chance, sich Geschichte bewusst zu machen.
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